Willi Ostermann
Willi Ostermann ist schon 80 Jahre tot. Dennoch werden seine Lieder noch heute gern gesungen. Seine Lieder sind so taufrisch, als seien sie gestern entstanden. Willi Ostermann wird für immer wie kein anderer mit dem Kölner Karneval auf das Engste verbunden bleiben. Er gab diesem Fest erst den rechten Klang, die tönende Resonanz, das saubere echt kölsche und rheinische Karnevalslied, das Lied, dessen Text und Melodie Jung und Alt begeisterte, welches nie verletzte, keine Zote kannte und dadrum Anerkennung fand, selbst in den Kreisen, die dem Karneval nicht hold sind.
„Willi“ Ostermann wurde als „Wilhelm“ am 1. Oktober 1876 Köln-Mülheim geboren. Er starb am 6. August 1936 (viel zu früh) in Köln. Ostermann war einer der populärsten und erfolgreichsten Kölner Liedermacher und Karnevalsschlager-Komponisten,der zahlreiche Texte, Lieder, Krätzchen und Couplets in hochdeutscher Sprache und vor allem in Kölscher Mundart verfasst hat. Viele seiner Lieder sind heute absolute Klassiker und werden auch heute noch gesungen.
Dabei ist Ostermann gar kein Ur-Kölner: Seine Familie stammt aus Plettenberg im Sauerland, und geboren wird er am 1. Oktober 1876 in Mülheim auf der rechten Rheinseite, das damals noch kein Kölner Stadtteil ist. Sein Vater arbeitet bei der Bergisch-Märkischen Eisenbahn. 1878 zog die Familie nach Deutz, wo man dem Vater eine bessere Stelle angeboten hatte. Ostermann besuchte von 1883 bis 1891 die katholische Volksschule in Deutz. Zu dieser Zeit erhielt er — typisch für Köln — aufgrund seiner roten Haare den Spitznamen „Ostermanns-Fuss“ oder auch „jlöhnije Fuss“ („glühender Rothaariger“) (Fuss vermutlich von Fuchs, kölsch für „der Rothaarige“). Da Deutz in dieser Zeit Garnisonsstadt war, kam Willi Ostermann in frühester Kindheit in Kontakt mit den durchziehenden Militärmusikkapellen, die den Jungen faszinierten. Mitschüler berichteten später, er habe bereits in der Schule mundartliche Parodien auf im Unterricht gelernte Gedichte angefertigt und stets die neuesten Karnevalslieder auswendig gewusst.
Nach seiner Schulzeit begann Willi Ostermann, nachdem sein Vater keine Lehrstelle als Schlosser für ihn bekommen konnte, eine Lehre im Elektrohandwerk, ein damals hochmoderner Beruf. Nach einigen Monaten wurde er jedoch wegen Konflikten mit seinem Lehrherrn entlassen, woraufhin er in einer Druckerei in Deutz den eher seinen eigenen Wünschen entsprechenden Beruf eines Stereotypeurs und Galvanoplastikers erlernte. Bis 1900 war er vermutlich in seinem erlernten Beruf tätig, genaueres hierüber ist jedoch nicht bekannt.
Seit 1895 war Ostermann Mitglied in einer Laientheaterspielgruppe, außerdem hatte er bereits Erfahrungen mit einem eigenen Puppentheater gesammelt und trug eigene Gedichte und Lieder bei Familienfeiern und Gasthäusern vor.
Erste lokale Bekanntheit erlangte 1899 Ostermann durch sein Lied Et Düxer Schötzefeß (Das Deutzer Schützenfest), das auf eben diesem Deutzer Schützenfest ein großer Erfolg wird:
Jo nom Düxer Schötzefeß, do loß mer gonn,
wenn de Lappe vun de Stivvele fleute gonn,
jo om Düxer Schötzefeß, do eß et schön,
do mäht Freud un Spaß sich selvs die älteste Möhn!
Die Rückbesinnung auf die Geborgenheit im Viertel kommt beim Publikum gut an. Köln entwickelt sich damals gerade zur Großstadt, was den bisher gewohnten, überschaubaren Rahmen sprengt.
1903 heiratete Ostermann Katharina Maria Striebeck. Diese Ehe wurde jedoch wieder geschieden. In den Jahren darauf wurde Ostermann vom Vorsitzenden der Kölner Karnevalsgesellschaft „entdeckt“; dieser regte ihn an, einen Karnevalsschlager zu für die Session 1906/1907 schreiben. Das Ergebnis war das Lied „Däm Schmitz sing Frau eß durchgebrannt“ (Die Frau vom Schmitz ist durchgebrannt), zu dem Ostermann Text und Melodie schuf, und das der Rosenmontagshit 1907 werden sollte. 1908 folgte beim sogenannten Blumenspiel eine Auszeichnung für das beste Kölner Mundartlied für den Titel „Wer hätt dat von der Tant gedaach!“, zu dem der Schlagerkomponist und Kapellmeister Emil Palm die Musik beigesteuert hatte
1911 heiratete Ostermann dessen Schwester, die Revuetänzerin Käthe Palm als seine zweite Frau.
In den Folgejahren setzte Ostermann den begonnenen Erfolg fort; er schrieb und komponierte Lieder und Karnevalsschlager und verlegte sie selbst, womit er seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Die meisten Lieder trug er selbst vor, einige Lieder entstanden jedoch auch im Auftrag für andere Vortragskünstler. Inzwischen wurde er von einer Agentur in ganz Deutschland für Auftritte gebucht. Es waren Lieder der Heimat, geschöpft aus dem Alltag des Volkes. Dieser feine Lauscher am Herzen seiner Kölner kannte den gutmütigen, humorgeladenen Menschenschlag in den Gassen seiner Heimatstadt. Rausche Beifallsstürme waren sein Lohn. Dennoch blieb Ostermann immer der bescheidene Biedermann.
Da Ostermann immer wieder auf der Pferderennbahn wettet und dabei viel Geld verliert, muss er sich eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen. Er beginnt, auch hochdeutsch zu singen. Er beschränkte sich also nicht nur auf rein kölsche Mundartlieder, sondern schrieb auch „normale“ Lieder wie Walzer, Marschlieder und ähnliches. Damit gelingt es ihm, international bekannt zu werden. Was auch daran liegt, dass seine Lieder mittlerweile auf Schallplatten gepresst werden. Mehrere Schallplatten wurden für die damalige Zeit außergewöhnliche Verkaufserfolge.
Gegen Ende der 20er Jahre wurde die wirtschaftliche Lage in Deutschland schlechter; Ostermann musste sich mit weniger Auftritten für weniger Gage begnügen, verlegte auch Noten und Liedtexte anderer Komponisten und Autoren in seinem Verlag, und schrieb Werbetexte. Außerdem gab er seit Ende 1930 das humoristische Wochenblatt Tünnes und Schäl heraus, dem jedoch keine lange Lebensdauer beschert war, es wurde 1931 wieder eingestellt.
Als Willi und seine Frau Käthe im Januar 1936 ihre silberne Hochzeit feiern, ist der Neumarkt vor ihrem Haus voll von Menschen. Die Kölner bringen Ostermanns ein Ständchen. Doch im gleichen Jahr endet das Leben von Willi Ostermann: Bei einem Gastpiel in Bad Neuenahr bricht Ostermann im Alter von 59 Jahren zusammen. Er wird nach Köln in ein Krankenhaus gebracht. In den Biographien über ihn steht, dass er sich einer Magenoperation unterziehen muss. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, er habe aufgrund seines Alkoholkonsums an einer Leberzirrhose gelitten. Nach einer schweren Magenoperation lag er noch zwei Monate im Krankenhaus und schrieb in einer Phase der Besserung sein letztes Lied Heimweh nach Köln, besser bekannt unter der Liedzeile ich mööch zo Foß noh Kölle gon (Ich möchte zu Fuß nach Köln gehen). Die Nazis werden es im Zweiten Weltkrieg wegen „Wehrkraftzersetzung“ verbieten. Ostermann selbst singt es nicht mehr auf der Bühne. Er stirbt am 6. August 1936; er wird nur 60 Jahre alt. Seine Frau Käte erzählt, ihr Mann habe vor seinem Tod noch ein letztes Glas Schaumwein verlangt. Da das Glas aber nicht voll gewesen sei, habe er gefragt, ob das nicht etwas wenig für den Weg in die Ewigkeit sei. „Dann warf er das Glas an die Wand“, so Käthe Ostermann. „Das war das Letzte, was er gesagt hat.“
Bei seiner Beisetzung am 10. August säumten Zehntausende von Kölner Bürgern den Trauerzug vom Neumarkt bis zum Melaten-Friedhof auf der Aachener Straße. In einem der Nachrufe am offenen Grab trug sein Freund, der Karnevalist Thomas Liessem zum ersten Mal den Refrain des letzten Ostermann-Liedes vor, das nach seinem Tod zu einem seiner bekanntesten, typisch kölnischen melancholischen Stimmungsliedern werden sollte:
Wenn ich su an ming Heimat denke
un sin d’r Dom su vör mir ston,
mööch ich direk op Heim an schwenke,
ich mööch zo Foß noh Kölle gon.
Das Lied mit dem Titel Heimweh noh Kölle gilt als inoffizielle Kölner Stadthymne.
Köln kann froh sein, den Willi Ostermann gehabt zu haben. Ohne ihn wäre Köln ärmer.
Heute erinnert der Ostermann-Brunnen an den großen Kölner. Dazu hier mehr: Einweihung des Ostermann-Brunnen.
Es ist beschämend, dass in diesem ausführlichen Artikel Hans Tobar nicht erwähnt wird, Ostermanns langjähriger Freund, mit dem auch Käthe befreundet war, und der in Köln im Karneval eine überrragende Rolle spielte. 1939 musste Tobar mit seiner Familie Köln fluchtartig verlassen. Er war Jude….
Willi Ostermann gehört unbestritten zu den bedeutendsten Kölnern des letzten Jahrhunderts. Ohne ihn wären Gruppen wie die Bläck Fööss oder De Höhner undenkbar.