1933 bis 1945 – Karneval im Nationalsozialismus
Nach der Machübernahme Hitlers wird der Karneval mehr und mehr ein Fest der Nazis. In ganz Deutschland wird für den Kölner Karneval geworben. Die Nazi-Organisation „Kraft durch Freude“ versucht, die Organisation, die Finanzen, die Vorträge in den Sitzungen und den Rosenmontagszug zu übernehmen bzw. zu steuern. Die Kölner Karnevalisten arrangieren sich mit den neuen Verhältnissen.
1933 Zunächst merkt noch niemand etwas von dem zunehmenden Einfluss der Nationalsozialisten. Noch ist der spätere Bürgermeister Konrad Adenauer in Köln am Ruder. Er ist es auch, der den Anstoß dafür gibt, dass endlich wieder ein Rosenmontagszug stattfinden müsste. Das Festkomitee erhält zu diesem Zweck finanzielle Unterstützung durch die Stadt Köln. Zudem wird auf einer Generalversammlung des Kölner Verkehrsvereins am 17.10.1932 ein „Bürgerausschuss“ gegründet. Prominente Persönlichkeiten aus der Bürgerschaft, Vertreter von Industrie, Künsten und Wissenschaft sowie von Vereinen erklären ihre Bereitschaft zur Mitwirkung. Der Rosenmontagszug ist damit gesichert.
Und damit nicht genug: Erstmals ziehen die Veedelszöch durch Köln, zu denen der Bürgerausschuss und das Festkomitee aufgerufen haben. Die Veedelszöch sind historisch auf die mittelalterlichen Gesellenbanden, die ihren mühseligen Alltag aufs Korn nahmen, zurückzuführen. Insbesondere dieser Erhaltung und Erneuerung des ursprünglichen Volkskarnevals hatte sich der Ende des Jahres 1932 gegründete „Bürgerausschuss“ auf die Fahnen geschrieben.
1934 In diesem Jahr fährt mit dem sog. Palästina-Wagen ein antisemitischer Zug beim Kölner Rosenmontagszug mit, mit dem auswandernde Juden mit dem hämischen Kommentar „Die letzten ziehen ab“ verunglimpft werden.
1935 Die Nazis versuchen, den Kölner Karneval organisatorisch zu übernehmen. Das „Festordnende Komitee“ wird aufgelöst. Doch die Narren revoltieren, indem sich die Führer der großen Karnevalsgesellschaft zusammen finden und ankündigen, dass ihre Gesellschaften am Karneval nicht mehr teilnehmen werden, wenn sie diesen nicht auch organisatorisch bestimmen können. Die „Narrenrevolte“ hat Erfolg. Das „Festordnende Komitee“ heißt nun „Festausschuss“. In kleinen, von vielen Karnevalisten durchaus akzeptierten Schritten erhielten NS-Organisationen aber danach dennoch wesentlichen Einfluss auf das Karnevalsgeschehen.
1936 Der Karneval wird mehr und mehr ein Fest der Nazis. In ganz Deutschland wird für den Kölner Karneval geworben. Erstmals gibt es eine große Rundfunksitzung „Kölle Allaaf“, die in ganz Deutschland zu hören ist. Die Nazi-Organisation „Kraft durch Freude“ versucht, die Organisation, die Finanzen, die Vorträge in den Sitzungen und den Rosenmontagszug zu übernehmen bzw. zu steuern. Erstmals gibt es im Kölner Karneval eine feierliche Prinzenproklamation in der Messe, am 20.02.1936 an Weiberfastnacht.
Für die Finanzierung des Rosenmontagszugs wird eine groß angelegte Spendenaktion veranstaltet. Vertreter aller Gesellschaften sammelten bei den Kölner Bürgern Geld – und sie gaben reichlich für „ihren“ Rosenmontagszug. Hier der Aufruf an die Bürgerschaft Kölns:
Im Herbst dann der Schock: Willi Ostermann stirbt am 6. August 1936 stirbt. 35000 Menschen stehen vor seiner Residenz auf dem Neumarkt 33. Kölns Geschäfte schließen, bis der Tote (im Frack) im städtischen Ehrengrab auf dem Friedhof Melaten liegt.
1937 Die Nazis machen aus dem Kölner Karneval ein nationales Ereignis. In ganz Deutschland wird für den Besuch des Karnevals geworben. Die Karnevalisten machen weitere Zugeständnisse an die Partei: In ihrem Kampf gegen Homosexualität wollen die Nationalsozialisten keine Männer in Frauenkleidung mehr dulden – und so hatte man die Karnevalsgesellschaften schon 1935 angewiesen, „richtige“ Frauen als Funkenmariechen auftreten zu lassen; seit Menschengedenken wurden die Regimentstöchter der Tanzkorps ebenfalls von verkleideten Männern verkörpert – was in den Augen der Nazis eine bedenkliche Nähe zum Transvestitismus darstellte. Natürlich gaben die Korps nach und trennten sich von ihren männlichen Mariechen. In Zeitungen wurde – der Wahrheit zuwider – behauptet, die Mariechen seien ursprünglich von Frauen dargestellt worden. So wollte man die öffentliche Meinung zugunsten der Partei-Doktrin beeinflussen, was auch gelang.
1938 Es gibt eine umstürzende Neuerung: Auf Druck der NSDAP muss die Jungfrau von einer Frau dargestellt werden. Die männliche Jungfrau im Karneval ergab sich anfangs zwangsläufig, da der Karneval eine reine Männerangelegenheit war. Im Laufe der Zeit wurde sie zur Tradition. Nun gab auch das Festkomitee dem Druck der NSDAP nach und die 19-jährige Paula Zapf aus Nippes wurde die erste weibliche Jungfrau.
Die Jecken jubeln Ihrer Lieblichkeit zu – und nach der Session wird Paula Zapf von allen Seiten bescheinigt, sie habe ihre Sache gut gemacht. Mit der NSDAP hat Paula Zapf nichts zu tun.
Es gibt nur sehr wenige Aufzeichnungen über Karnevalisten oder Vereine, die etwa die Übernahme eines antisemitischen oder NS-propagandistischen Wagens verweigerten.
Eine nachgewiesene Form des Widerstandes, welche einen Bezug zu Karneval hat, ist die alternative Rosenmontagszeitung mit der Unterschrift „Einzige offizielle Festschrift für den Karneval 1938“, eine subversiv publizierte illegale Satire auf die offizielle Kölner Rosenmontagszeitung, die allerdings nicht von Karnevalisten herausgegeben wurde, sondern von KPD-Mitgliedern.
Sie übte 1938 beißende Kritik am NS-System, stellte auch Joseph Goebbels auf dem Titelblatt als „Seine Tollität Jüppche I“ dar (siehe nebenstehend), der die Paraloe für die gecken Tage ausgab: „Dä Spruch bleib meines Chrönchens Schmuck: Immer löje wie jedrukk“ – Immer lügen wie gedruckt!) und enthielt 8 alternative und bitterböse Wagenentwürfe des nach Belgien geflohenen Düsseldorfer Künstlers und KPD–Mitglieds Karl Schleswig, der die Zeitung mit Otto Niebergall in der Gestaltung der offiziellen Kölner Rosenmontagszeitung herausgegeben hatten als Vehikel für den politischen Widerstand.
1939 Da die Personen, die das Dreigestirn darstellten immer mehr an Bedeutung gewannen, bekamen sie nun Namen. Der Prinz war jetzt Prinz Jupp I.
Als in diesem Jahr mit Else Horion erneut eine Frau in das jungfräuliche Ornat schlüpfte, hält sich die Aufregung anders als im Jahr zuvor in Grenzen. Die Nazis hatten das Festkomitee unter Druck gesetzt. Seit 1938 ist die Jungfrau eine Frau – aufgrund einer Phobie der Nazis gegen Homosexualität waren in dieser Zeit Männer in Frauenkleidern unerwünscht.
An Weiberfastnacht 1939 wird entgegen dem Willen der damals Verantwortlichen der steinerne Willi-Ostermann-Brunnen (siehe hier) eingeweiht. Der Brunnen übersteht den Krieg unversehrt und kann noch heute in der Kölner Altstadt besucht werden.
Der Rosenmontagszug steht ganz im Zeichen der Ostermann-Lieder, die – zum Glück – politischen Motiven der damaligen Zeit wenig Platz lassen.
1940 – 1945 Der Zweite Weltkrieg setzt dem Karneval ein Ende. Einige Prinzengardisten inthronisieren – entgegen dem behördlichen Karnevalsverbot – dennoch ein „inoffizielles“ Dreigestirn. Wie selbstverständlich fällt die Rolle der Jungfrau mit der damals 19-jährigen Elfriede Figge wieder einer Frau zu. Das Dreigestirn tritt aber nur einmal, bei der heimlichen Proklamation auf der Kegelbahn eines Lokals, auf. Mehr dazu hier: Kölner Dreigestirn 1940.
Einen Rosenmontagszug wird es erstmals wieder nach dem Krieg im Jahre 1949 geben.