1939 – Einweihung des Ostermann-Brunnens
Als Willi Ostermann am 10. August 1936 zu Grabe getragen wurde, erlebte Köln den größten Trauerzug seiner Geschichte: „Dä Wäch vum Nümaat bes Malote wor schwatz vun Minsche“, schreibt Hans W. Krupp in seiner Ostermann-Biografie. Als der Sarg auf dem Kölner Friedhof Melaten sich langsam in die Grube senkte, intonierte eine Musikkapelle im Hintergrund leise die Melodie des schönsten Ostermann-Liedes: „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia.“
Ostermann, der bekannte Kölner Mundart-Komponist und Sänger war tot. Aber die Erinnerung an ihn blieb wach – bis heute. Sein „Heimweh nach Kölle“, besser bekannt unter der Liedzeile „Ich mööch zo Foß noh Kölle gonn“ [Ich möchte zu Fuß nach Köln gehen], welches er kurz vor seinem Tod geschrieben hatte, wurde in den Jahren nach seinem Tod in Hundertausende von Schallplatten gepresst.
War das Lied das tönernde Vermächtnis, so sollte ein Denkmal in Stein an Ostermanns Heimatliebe erinnern. Auf eine Initiative des damaligen Präsidenten des Kölner Festkomitees und Ostermann-Freundes Thomas Liessem, der als Grundkapital die Erträge der von ihm gesungenen Schallplatteneinspielung von Ostermanns letztem Lied „Heimweh nach Köln“ in Höhe von 9.000 Mark sowie seine Tantiemen für das von ihm verfasste Ostermann-Buch in Höhe von 8.000 Mark verwendete, sammelte ein großer Freundeskreis das Geld für einen Ostermann-Brunnen. Die Stadtverwaltung war gegen das Denkmal, aber die Ostermann-Freunde unterstützt von dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Schmidt setzten sich schließlich durch.
Drei Jahre nach dem Tod des Dichters, am Weiberfastnacht 1939, wurde der Ostermann-Brunnen in der Kölner Altstadt mit einem kölschen Volksfest eingeweiht. Alle Kölner Karnevalsgesellschaften und viele Kölner Vereine umsäumten mit ihren Fahnen und Abordnungen den Brunnen, und als die Hülle fiel, sang der Kinderchor des städtischen Waisenhauses unterstützt vom Kölner Männerchor Ostermanns letztes Lied „Heimweh nach Köln“. Thomas Liessem übergab als Vorsitzender des Festkomitees Kölner Karneval den Brunnen dem damaligen Oberbürgermeister als ein Geschenk der Kölner Bürgerschaft zur Pflege. Der Platz erhielt den Namen „Ostermannplatz“.
Der Brunnen ist das Werk von Bildhauer Willy Klein, der für 38.000 Reichsmark aus einem 14 Kubikmeter großen, aus Bayern angelieferten Muschelkalkblock jene 15 Figuren gemeißelt hat, die Willi Ostermann in seinen Liedern besungen hatte. Der dreieckige Brunnen wurde in dem Kölner Martinsviertel aufgestellt und bildet heute den zentralen Punkt des Ostermannplatzes.
In seiner Ansprache anlässlich der feierlichen Enthüllung des Gedächtnismales fand Thomas Liessem – wie so oft – die richtigen Worte:
Ein Volk lebt in seinen Liedern, und der die Lieder schrieb, konnte nur im Volke gelebt haben. Generationen gehen, doch seine Lieder bleiben bestehen. Und ein Volk, welches sich singend in seinen Liedern selbst den Spiegel vorhält, wie in den Gesängen Ostermanns, dieses Volk hat Herz und Gemüt.
Bitten wir den Himmel, dass er uns dieses Gemüt erhält und dieses Denkmal so lange schützt, wie die Lieder unseres Willi Ostermann in diesem Volk am Rhein Bestand haben!“
Der Himmel hörte diese Worte offenbar. Denn wie durch ein Wunder trotzte das Denkmal im Krieg Bomben und Feuersbrunst und blieb nahezu unbeschädigt. Um den Brunnen herum jedoch stürzte im Bombenhagel fast alles zusammen, das nur wenige Meter entfernt stand.
Nach dem Krieg wurde der Brunnen von dem Karnevalisten Franz Unrein, der in späteren Jahren als „Schütze Bumm“ oder „Jupp vum Kägelclub“ in Karnevalssitzungen begeistern würde, und von Mitgliedern der 1949 gegründeten Karnevalskünstlervereinigung Muuzemändelcher wieder hergerichtet. Namensgeber der Muuzemändelcher (ein Kölner Gebäck) war Karl Berbuer, von Hause aus Bäcker mit dem Spitznamen „Et jecke Hefeteilchen“. Der damals 17 Jahre alte Franz Unrein war Mitglied der Innung. Unrein wohnte mit seiner Familie direkt am Ostermannpatz und hatte die Nachbarschaft schon zum Aufräumen des Platzes motiviert. Als die Muuzemändelcher zum Entschutten antraten, hatte ihnen dies der Bäcker-Lehrling Unrein bereits weitgehend abgenommen. An eine Karriere im Karneval dachte er damals noch nicht. Seinen ersten Orden erhielt er aber bereits damals – als Dank für seinen Einsatz.
Am 11.11.1949 folgte die feierliche Wiedereinweihung des Brunnens. Muuze-Baas Hans Jonen und Festausschuss-Vorsitzender Albrecht Bodde hielten bewegende Ansprachen, die Kapelle Christian Reuter spielte Ostermann-Lieder und die Vier Botze sangen ein Potpourri von Willi Ostermann. Die Muuzemändelcher machten aus diesem Ereignis eine alljährlich am 11.11. um 11.11 Uhr wiederkehrende Traditionsveranstaltung am Ostermann-Brunnen. Als 1961 der Ostermann-Platz umgebaut wurde, war es Oberbürgermeister Theo Burauen, der die Muuzemändelcher und damit den Karnevalssauftakt auf den Rathaus-Vorplatz holte. „Et Spill op d´r Rothustrapp“ war geboren. Dort blieben die Muuze auch in den folgenden Jahren. Der Brunnen geriet nun zunehmend in Vergessenheit und verfiel zusehends.
1967 gründete sich die Ostermann-Gesellschaft, die den Brunnen heute pflegt. Am 11.11.1969 belebte diese die in Vergessenheit geratene Tradition und lud erstmals wieder zur Sessionseröffnung am Ostermann-Brunnen ein. Mit den Jahren wurde der Jecken-Zuspruch dort so groß, dass man auf den Altermarkt ausweichen musste. Seit das WDR-Fernsehen die Veranstaltung live überträgt, kann selbst der Altermarkt die Besucher nicht alle fassen.
Bereits seit 1967 verleiht diese Karnevalsgesellschaft am 11.11. in unregelmäßigen Abständen dem Goldenen Ostermann-Brunnen für besondere Verdienste um den Kölner Karneval.
1974 wurde der Brunnen durch Jürgen Hans Grümmer umgestaltet.
Weiterführende Literatur:
Reinold Louis, Aufgebaut – Rote Fingernägel krallen nach schwarzer Währung, 432 Seiten, mehr als 300 Abb. in Farbe und sw, ISBN 3-937795-03-0, Marzellen Verlag Köln, € 29,90
Videos:
Video der alljährlichen Eröffnung des Karnevals vom 11.11. aus dem Jahre 1958 mit Hans Jonen, Vier Botze und Liedern von Willi Ostermann: